Bericht von Dr. Helmut Raiser zur RSV WM 2022

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RSV WM 2022

2016 waren wir das letzte Mal im Hauerstadion in Korbach. Als es dann umgebaut werden sollte, hatten wir in Hann. Münden für 5 Jahre auch beste Voraussetzungen. Ich war froh, dass wir in diesem Jahr wieder in Korbach um den Weltmeistertitel kämpfen konnten, erspart es mir doch sehr viel Arbeit. Das Stadion ist hervorragend hergerichtet worden, sodass sogar eine gute Lautsprecheranlage vor Ort war, und unser Sportfreund Andreas Juche bediente sie hervorragend mit fachlichen Kommentaren und passender Musik.

Hatten doch damals Moni und Gunter das gesamte Catering organisiert, so bot sich diesmal der ortsansässige TSV an, uns diese Arbeit abzunehmen. Die hatten eine tolle Truppe, die es an nichts fehlen ließ, mit denen bei der Siegerehrung auch noch richtig die Post bis in den nächsten Morgen hinein abging.

Unser Vorsitzender, Albert Spreu, führte diesmal keinen Hund – dann muss man im RSV2000 zur Strafe richten oder Funktionerdienste übernehmen. Albert war Mädchen für alles, und hat zusammen mit unserer Geschäftsstelle (Heike und Claudia) eine tolle Veranstaltung organisiert.

Für uns Hundesportler war wieder alles optimal vorbereitet, nur das Vorbereitungstraining hat nicht geklappt, weil er es in die Eigenverantwortung der Hundeführer gegeben hatte. Aber Peter Krüger sprang dann ein und wir haben das vor Ort dann sehr schnell ordentlich hinorganisiert – Improvisation ist eben eine reine Intelligenzfrage.

So waren dann wir Hundeführer dran, der Veranstaltung den entsprechenden Rahmen zu geben.

Die Fährte hatte so ihre Tücken. Das Gelände sah wie ein Traumacker von weitem aus; aber der Wind, der Regen und an vielen Stellen auch der verdichtete Boden machten das Ergebnis auch ein bisschen vom Losglück abhängig. Wobei unser Weltmeister allerdings bewiesen hat, dass er auch unter ungünstigen Bedingungen in der Lage war, 100 Punkte zu suchen. Hingegen war meine Fährte zum Beispiel „just a shitty routine“ unter recht günstigen Bedingungen. Aber sowas verdient man sich über die Jahre wohl auch.

Genaro Romero aus Spanien versteht das Metier, beherrscht das Richtsystem des RSV2000 und wurde der Sache voll gerecht.

Auf unsere Richter bin ich besonders stolz, weil es offensichtlich heutzutage Mut braucht, dem aktuellen Narrativ nicht zu folgen, und den Hundesport nicht durch Pixelguckerei den Garaus zu machen.

Wenn ich mit Tränen in den Augen mir auf working-dog anschauen muss, dass die FCI Weltmeisterin aus der Ukraine für ihre Unterordnung keine 100 Punkte bekommt, und das von einem Richter, der menschlich voll in Ordnung ist, aber offensichtlich sich vom Modetrend beeinflussen lässt, dann frag ich mich, warum man bei solch einer Leistung nicht vor Ehrfurcht erstarrt und das Ausfüllen des Richterzettels vergisst. Esther Schalke sagte mal vor Jahren bei einer unserer Fortbildungen: „Fangt bloß nicht an, die Befindlichkeit des Hundes zu interpretieren!“ Genau dieser Blödsinn ist Mode geworden, und man interpretiert Freudigkeit, wenn der Hund nervlich am Limit ist. Spitzensport ist immer Limit und nicht Freudigkeit. Aber je nach nervlicher Konstitution äußert sich das bei dem einen in Hyperaktivität, bei dem anderen in Konzentration.

Wer es philosophisch erklärt haben will: Sentientismus basiert auf empirischem Datenmaterial, auf subjektivem Erkenntnisgrad und ist primär nicht philosophisch!

Analogieschlüsse beinhalten Verzerrungen und Falschinterpretationen. Das Kooperationsverhältnis mit Tieren ist in hohem Maße asymmetrisch!

Hoffentlich hört das bald wieder auf, dass jeder Richter sein subjektives Geschmäckle hineininterpretiert, und das Narrativ unserer Spaßgesellschaft auf die Arbeit mit dem Hund projiziert wird.

Wissen denn die Richter wirklich nicht mehr was möglich ist? Wissen sie nicht was Ausbildung beinhaltet, und dass Trieb und Technik Antagonisten sind? Wissen Sie nicht, dass Ausbildung Konfliktmanagement ist? Wissen Sie nicht, dass wir Helden im Hundesport brauchen und keine Loser, dass McDonald‘s auch nicht hingeht und sagt, du kannst zwar unseren Hamburger essen aber sie schmecken nicht? Wie dusselig ist denn eine derartige PR?

Ich bin so stolz auf unsere Leistungsrichterin Anja Mannsbart und unseren Leistungsrichter Gerd Fern, die nicht nur unser Richtsystem angewendet sondern auch illustriert haben. Sie haben die gesamte Bandbreite der Punktevergabe ausgenutzt. Sie haben dadurch natürlich einen viel besseren Differenzierungsspielraum, und werden damit der Sache viel gerechter. Aber der noch größere Vorteil liegt in der Atmosphäre, die bei derartiger Richterei auf unserer Weltmeisterschaft sich ausgebreitet hat. Da war Spaß und Begeisterung.

War es Mahatma Gandhi?: „Zuerst lachen sie über dich – dann hassen sie dich – dann gewinnst du!“

Unsere Richter haben den Mut gehabt, da wo heute SG oder verrückterweise manchmal sogar G gegeben wird, noch ein V minus oder ein SG Plus zu attestieren, weil die Übung insgesamt ein Hingucker war. Wie sagte Robert Jönsson in einer Richtertagung: „Auch das Vorzüglich hat eine Bandbreite, und nebensächliche Kleinigkeiten schmälern die vorzügliche Arbeit nicht!“

Unsere Philosophie im RSV2000 führt dazu, dass auf unserer Weltmeisterschaft neben absoluten Weltklasseleistungen auch gehobene Basisarbeit sich wiederfindet. Das macht wahrscheinlich die besondere, unverkrampfte und kollegiale Atmosphäre dieser Veranstaltung aus, bei der wir Hundesportler richtig Spaß miteinander haben.

Beeindruckende Spitzenleistung in A, B und C präsentierte unser Weltmeister, Henrik Jensen mit seinem Angry von Starker Wille. Da er eine späte Startnummer am Sonntag hatte, kochte die Spannung, denn nur mit einem 99 Schutzdienst konnte er noch den 100ter Schutzdienst von Martin Schenk aus der Schweiz toppen. Alle glaubten schon, dass Urs Allemann diesmal den 3. Weltmeister aus seiner Truppe hervorbringen würde, denn mit 97/97/100 insgesamt 294 Punkten führte Martin Schenk mit Finn vom Schützenbruch fast uneinholbar das Feld an. Aber Henrik hat nicht nur einen guten Hund mit guter Ausbildung, sondern scheinbar auch die starken Nerven, die es braucht, denn nach der 100er Fährte, glänzte er mit einer triebstarken 96er Unterordnung, und rockte dann auch noch einen perfekten Schutzdienst, bei dem nur im Rückentransport überhaupt kleine Makel zu finden waren. So konnte er am Ende mit 295 Punkten den Weltmeistertitel erringen.

Mein persönlicher Sieg auf Platz 3 bestand darin, meine selbstgezüchtete Hündin, Raisers Inlay, so wie alle anderen Hunde von mir vorher, über 5 Jahre konstant ohne Verschleiß zu führen. Die Platzierungen 4 – 3 – 2 – 4 – 3 spornen mich mit der 8,5-jährige Hündin allerdings nicht an, das Gesetz der Serie zu suchen, um noch mal Platz 2 mit einer neuneinhalb jährigen Hündin anzustrebenJ Ich denke, sie hat „ihre Milch gegeben“, und ich werde mich nun vermehrt um ihren Sohn, Marko, kümmern.

Dr. Helmut Raiser, LAZ RSV2000, Präsident RSVglobal

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