DM-Dergenerative Myelophatie

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Die degenerative Myelopathie der großen Hunderassen

Martin Schmidt, Klinik für Kleintiere an der Justus-Liebig-Universität Giessen

Die Degenerative Myelopathie (DM) wurde bereits in den 70er Jahren als Ursache für eine langsam voranschreitende Lähmung der Hintergliedmaßen beim Hund erkannt. Sie wird vor allen Dingen bei großen Rassen gefunden, wobei Hütehunde, der Collie, der Belgische Schäferhund, der Sibirische Husky, aber auch der Hovawart, Weimaraner und der Rhodesian Ridgeback am meisten betroffen sind. Ob die Krankheit bei allen diesen Hunderassen auf denselben Krankheitsprozess zurückzuführen ist, bleibt allerdings weitgehend ungeklärt. Das Wissen über diese Erkrankung hat seit den achtziger Jahren des letzten Jahrhunderts nicht signifikant zugenommen, die tiermedizinische Forschung konnte bisher nur zeigen, welche Krankheitsprozesse nicht an der Entstehung der DM beteiligt sind. Entzündungsprozesse, Vitaminmangel und Autoimmunerkrankungen konnten bisher nicht bewiesen werden. Untersuchungen des Rückenmarkes der Tiere zeigen einen Abbau der Nervenscheiden der langen Rückenmarksbahnen, die das Gehirn mit den Nerven der Gliedmaße verbinden. Der Kontaktverlust von Sensor (Gliedmaßen) und der Schaltzentrale (Zentralnervensystem) bedingt zunächst den Verlust der Feinmotorik. Mit Voranschreiten der Degeneration werden dann auch Faserbahnen betroffen, die vom Zentralnervensystem aus die Muskelaktivität selbst steuern, so dass die Muskeln der Hintergliedmaße immer schwächer werden. In der Regel treten die Symptome der Erkrankung beim älteren Hund auf (5-14 Jahre). Die Tiere zeigen Ganganomalien, die sich auf die Hintergliedmaße beschränken, da die Degenerationen im Rückenmark nur im Abschnitt zwischen den Gliedmaßenpaaren auftreten, die Vordergliedmaßen stehen demnach nach wie vor mit dem Gehirn in Verbindung. Die Feinmotorik der Hinterhand ist eingeschränkt (Ataxie), die Tiere schwanken, sinken im Verlauf der Erkrankung immer mehr in der Hinterhand ein und können schließlich vollkommen gelähmt sein. Da keine Veränderungen der Knochen oder Reizungen und Entzündungen der Nerven vorliegen, geht der Nervenzelluntergang nicht mit Schmerzen einher, worin ein wichtiges Unterscheidungsmerkmal zu anderen Krankheiten des Bewegungsapparates oder des Nervensystems liegt.

Da eine Vielzahl von Erkrankungen oft mit dem doch sehr allgemeinen Symptom der „Hinterhandschwäche“ einhergehen, steht man bei der eindeutigen Diagnose oft vor einem Problem: Bei den bildgebenden Verfahren steht die Kernspintomographie (Magnet-Resonanz- Tomographie, MRT) im Vordergrund, da nur diese Technik das Rückenmark und das

umgebende Gewebe gut abbilden kann. Liegen keine Veränderungen im Sinne einer Kompression durch vorgefallene Bandscheiben oder knöcherne Vorwölbungen sowie eine andere Entzündungen oder Missbildung des Rückenmarks vor, wird die DM im Ausschlussverfahren diagnostiziert. Problematisch wird die Diagnose per Ausschluss dann, wenn zusätzlich zur Degenerativen Myelopathie gleichzeitig eine Kompression des Rückenmarks durch kleinere Bandscheibenvorfälle oder eine Kompression der hinteren Nervenbündel (Cauda equina Kompressions-Syndrom) und/oder eine schwere Hüftgelenksdysplasie vorliegen, die beim älteren Hund sehr häufig gefunden werden. Diese Befunde werden häufig fälschlicherweise für eine DM verantwortlich gemacht. Zwar kann man versuchen anhand von klinischen Symptome, wie z.B. Schmerzen bei Druck auf die Wirbelsäule und eine herabgesetzte Aktivität der Hinterhandreflexe eher auf eine andere strukturelle Läsion, wie etwa einen Bandscheibenvorfall, zu schließen, leider zeigen jedoch auch Hunde mit chronischen Bandscheibenveränderungen nicht immer die klassischen Schmerzsymptome.

Leider lässt sich die eindeutige Diagnose der DM erst nach dem Tod der Tiere durch die Untersuchung von Rückenmarkschnitten unter dem Mikroskop stellen, wobei der Abbau der langen Nervenfasern offensichtlich wird, der nicht auf eine Kompression des Rückenmarks zurückgeht.

Eine Diagnose bereits am lebenden Tier zu stellen oder doch zumindest radiologische Hinweise auf eine Veränderung im Rückenmark aufzuspüren wäre erstrebenswert. Labordiagnostische Ansätze eine Degeneration nachzuweisen, beruhen auf der Bestimmung von verschiedenen Nerven-Proteinen in der Gehirnflüssigkeit (Liquor), die nach dem Zugrundegehen der Nerven in den Liquor übergehen. Diese sind allerdings relativ unspezifisch für eine DM und kommen bei vielen verschiedenen Krankheiten vor.

Die Weiterentwicklung der Magnet-Resonanz-Technologie hinsichtlich der Geräte selbst und der Aufnahmetechnik der Tomographen bietet der Diskussion über Möglichkeiten und Grenzen der Diagnostik ein neues Forum. Hierbei ist die so genannte Diffusions-gewichtete MRT von besonderem Interesse. Diese Technik kann die vermehrte Bewegung von Flüssigkeit in einem Gewebe nachweisen. Das Rückenmark besteht aus zahlreichen Bündeln dicht gepackter „Rollen“ von Nerven, in denen die Bewegung des Gewebswassers stark eingeschränkt ist. Gehen die Nerven zugrunde, so kann das Wasser sich im Rückenmark vermehrt bewegen. Diese Bewegung (Diffusion) kann nachgewiesen werden und könnte als ein Hinweis auf eine DM genutzt werden, ähnlich wie es in der Humanmedizin zur Diagnose der so genannten Amyotrophen Lateralsklerose genutzt wird, welche der DM in Ansätzen

ähnelt. Der Gentest, welcher zurzeit in den USA angeboten wird, muss mit großem Vorbehalt beurteilt werden. Es ist nicht anzunehmen, dass alle Hunderassen den gleichen Gendefekt haben. So unterscheidet sich zum Beispiel das histopathologische Bild, also die Verteilung und die Art der Degeneration der Nervenfasern in der mikroskopischen Untersuchung, so dass schon von der Pathologie nicht auf eine einheitliche Erkrankung zwischen z.B. dem Barsoi und dem Deutschen Schäferhund geschlossen werden kann. Der DSH und der Hovawart haben zwar ein sehr ähnliches histopathologisches Bild, allerdings lässt sich trotzdem nicht darauf schließen, dass sie den gleichen Gendefekt haben. Es ist darüber hinaus auch möglich, dass zwar das gleiche Gen, dieses aber an einer anderen Stelle defekt ist. Daher ist dieser Universal-Gentest für alle Hunderassen zurzeit nicht zur Selektion von Tieren zu empfehlen. Leider gibt es bis heute keine ursächliche Behandlungsmethode für die DM. Der Einsatz von Medikamenten konnte in der Vergangenheit keine sichtbare Verbesserung der Symptome hervorrufen. Einzig eine professionelle Physiotherapie kann dabei helfen die Reservekapazität des Rückenmarkes voll ausnutzen und den Verlauf der Erkrankung zu verändern. Leider zeigt sich allerdings nach 12 -18 Monaten eine weitere Verschlechterung der motorischen Störungen, die bis zur vollständigen Lähmung führt.

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