Der Schutzhund

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Rund 150.000 Mitglieder in den verschiedenen Hundesportvereinen bilden Hunde zum Schutzhund aus. Diese Seite vermittelt einen Einblick in die trieblichen Inhalte dieser Ausbildung und erklärt, warum ausgebildete Hunde in Konfliktsituationen größere Selbstbeherrschung zeigen.

Der Gebrauchshund ist ein leistungsfähiger Arbeitshund. Er kann aufgrund seiner Triebqualitäten und seiner Konstitution vom Menschen für verschiedene Aufgaben ausgebildet und genutzt werden. Der Gebrauchshund ist ein Wert an sich. Ihn und seine genetischen Ressourcen zu erhalten gehört zur Pflege des Kulturgutes.

 Besonders die Schutzhundarbeit mit ihren drei Disziplinen Fährte, Unterordnung und Schutzdienst ist hervorragend geeignet, um durch Ausbildung, Sichtung, Selektion und Zucht einen Hundetyp zu erhalten, der alle Eigenschaften eines Gebrauchshundes hat. Hunde, die Sozialverhalten, Intelligenz, Nervenstärke und entsprechend Triebveranlagung haben, um im Sport, aber auch als Diensthund Verwendung zu finden.

 Somit gibt es also neben dem eigenen, persönlichen Spaß an der Beschäftigung mit dem Hund und der Fortsetzung der jahrtausendealten Symbiose Mensch/Hund auch eine für die Allgemeinheit nützliche
Bedeutung der Schutzhundprüfung.

Verhaltensweisen

Fährtenarbeit

Die Fährtenarbeit, bei der ein Hund der Spur einer Person folgen muss, prüft die Leistungsfähigkeit des Geruchsorgans und auch die Konzentrationsfähigkeit des Hundes. Bei der Fährtenarbeit erlebt der Hundeführer direkten Kontakt mit der Natur und den faszinierenden Fähigkeiten seines Hundes. Bei der Ausbildung muss der Hundeführer die Bodenbeschaffenheit, Witterung und Windrichtung berücksichtigen.

Unterordnung

In der Unterordnung müssen Hund und Hundeführer Harmonie und Teamgeist unter Beweis stellen. Vom Hund werden hier Lernvermögen, Intelligenz, Konzentrationsfähigkeit, aber auch Sozialverhalten gefordert. Bis hierhin werden Sie sicherlich der Schutzhundarbeit sehr viel Positives abgewinnen können.Nun gibt es da noch die dritte Disziplin den so genannten

Schutzdienst.

 Hier beißt der Hund einen Menschen. Dieses müsste, werden Sie wahrscheinlich jetzt denken, doch sofort verboten werden. Ein Hund gebraucht anscheinend seine Zähne gegen seinen „Sozialkumpan“ – also ist er aggressiv! Muss er nun eingeschläfert und der Halter bestraft werden?

Bitte betrachten Sie den Körperbau eines Hundes einmal bewusst. Zur Fortbewegung hat ein Hund vier Beine, das ist klar. Ebenso klar ist aber auch, dass ein Hund keine Hände und Arme hat – die Werkzeuge der Primaten, also auch des Menschen. Der Hund hat als Werkzeug im Wesentlichen nur seinen Fang und seine Zähne zur Verfügung.

Mit ihnen durchtrennt er die Nabelschnur seiner Nachkommen, pflegt und hegt sie, transportiert Futter zu ihnen, ja trägt sie fort, wenn Gefahr droht. Mit den Zähnen fängt und tötet er seine Beute, verteidigt sich und seine Nachkommen gegen Feinde. Wenn wir also ein Urteil über einen Hund, der seine Zähne gebraucht, fällen wollen, so müssen wir unbedingt versuchen zu verstehen, was vorher und währenddessen in seinem Kopf vor sich geht.

Die Schutzhundprüfung

Nun stellen sich dem Hund während einer Schutzhundprüfung auch Widerstände entgegen. Das Verfolgen und Festhalten des Schutzdienstärmels ist eine Beutehandlung. Dies wird ja – wie wir schon festgestellt haben – mit einem Junghund auch so trainiert.
In einer Schutzhundprüfung wird dem Hund der Ärmel aber nicht überlassen – er muss ihn loslassen. Ein vollkommen normaler biologischer Ablauf ist, dass der Hund auf diese Frustration bzw. Konfliktsituation mit aggressivem Verhalten reagiert. Bei einem Menschen würden wir sagen: Er ärgert sich, ist gefrustet, wird sauer.

Ziel biologisch sinnvoller Aggression ist es nun aber keineswegs, einen Gegner oder Konkurrenten – in diesem Fall den Helfer mit dem Schutzärmel – zu verletzen oder gar zu töten. Jedem Lebewesen steht ein ganzes Repertoire ererbter Verhaltensweisen zur Verfügung, das aggressive Auseinandersetzung so regelt, dass Beschädigungen der Kontrahenten möglichst vermieden werden. 
So hat der Schwächere die Möglichkeit der Defensive und Flucht. Dem Unterlegenen bietet sich die Möglichkeit des Beschwich-
tigungsverhaltens und der Unterwerfung, die, jedem Hundebesitzer bekannt, bei intaktem Instinktverhalten sofortige Beiflhemmung 
beim überlegenen auslöst.

Vor allem lehren uns aber die ritualisierten Zweikämpfe zwischen vergleichbar 
starken Konkurrenten, dass es offenbar in der Evolution – sinnvollerweise – einen 
hohen Selektionsdruck auf Entwicklungen gegeben hat, die Beschädigungskämpfe
verhindern: Der Sieger wird durch Drohgebärden, Imponiergehabe und, wenn 
es wirklich dazu kommt, nach strengen Kampfregeln ermittelt. 

Auch beim Schutzhund lassen sich Drohgebärden und Imponiergehabe beobachten:
Das Verbellen des Helfers ist z. B. streng reglementiertes Aggressionsverhalten. Der 
gesamte Schutzdienst ist letztlich nichts anderes als ein ritualisierter Kampf zwischen Hund und Schutzdiensthelfer um den Ärmel.

Die kulturelle Evolution des Menschen hat hier die biologische kopiert – in Form ritualisierter Kampfsportarten verschiedenster 
Art. Die Erfahrung zeigt übrigens, dass gerade solche Menschen, die in ihrer Freizeit einen besonders aggressionsbetonten „Zweikampfsport“ ausüben (z. B. Boxen und Karate, aber auch Tennis!), ihre aggressiven Energien in „Alltagssituationen“ nicht 
nur besonders gut kontrollieren können, sondern darüber hinaus auch durch ein vergleichsweise friedfertiges Verhalten auffallen. 
In der kontrollierten Schutzhundausbildung kann man exakt die gleichen Phänomene beobachten.

Eine Ausbildung zum Schutzhund stellt aber noch weitere Anforderungen an das Tier. Es verbleibt nämlich aus den Motivations-
systemen noch der dritte Triebbereich: das Meideverhalten. In Verlauf einer Schutzdienstprüfung muss der Hundeführer an seinen 
verbellenden Hund herantreten und ihn mit einem einzigen Hörzeichen dazu bringen, vom Aggressionsverhalten ins Meideverhalten zu wechseln. Der – aus dem Hundesportlerjargon stammende – Begriff Meideverhalten ist der klassischen Motivation Flucht zu-
zuordnen. Der Hundesportler meint damit allerdings nicht, dass der Hund sprichwörtlich flüchtet. Mit Meideverhalten meint er, dass 
der Hund ein –für ihn angenehmes – Verhalten unterlässt. In diesem Fall wird vom Hund verlangt, dass er aus dem sehr lustvollen 
Aggressions- in ein weniger lustbetontes Unterordnungsverhalten wechselt. Er gehorcht – auch in dieser Konfliktsituation. 

Zusammenfassung

Zusammenfassend kann man also über die Ausbildung eines Schutzhundes sagen, dass die überwiegende Zeit des Trainings darauf verwandt wird, dem Hund die Wechsel zwischen den Motivationen zu lehren. Die Schutzhundprüfung lässt zwar auch erkennen, ob die Triebbereiche Beute- und Aggressionsverhalten ausreichend vorhanden sind. In erster Linie werden aber Gehorsam und die Nervenstärke bzw. Selbstbeherrschung des Hundes in Belastungssituationen überprüft. Das ist der auch der Grund, weshalb ausgebildete Schutzhunde nicht durch Beißunfälle auffällig werden.

 Unkontrollierbare Hunde haben bei einer Schutzhundprüfung keine Chance. Sie werden – und so schließt sich der Kreis – nicht in der Zucht eingesetzt. Nachkommen von Hunden, die eine Schutzhundprüfung erfolgreich absolviert haben, lassen sich vielfältig einsetzen – sind eben echte Gebrauchshunde. Sie kann man zu Rettungshunden, Drogenspürhunden, Leichenspürhunden oder Diensthunden zum Wohle des Menschen erfolgreich ausbilden und verwenden. 

Übrigens:
Der Name „Schutzhund“ ist ein Überbleibsel aus den Anfängen
von vor rund 100 Jahren.

Heutzutage wird kein Hund von Zvilpersonen zum „Schutzhund“ im wahrsten Sinne des Wortes ausgebildet. Eine der Schutzhundprüfung vorgeschaltete sog. Begleithundprüfung stellt sicher, dass nur solche Hunde eine Schutzhundausbildung beginnen können, die normales Sozialverhalten, Nervenstärke sowie Gehorsam bewiesen haben. Die Begleithundprüfung besteht aus einem reinen Unterordnungsteil und einer Verkehrssicherheitsprüfung, bei der sich der Hund gegenüber Autos, Radfahrern und Joggern neutral verhalten muss.

Damit die Hunde aber eine Chance haben, Begleithund und Schutzhundprüfung zu bestehen, beginnt die Arbeit der Hundesportler mit planvoller Zucht und verantwortungsvoller Sozialisierung der Welpen und Jungtiere. Denn was Hänschen nicht lernt …

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